Ich möchte dir hier eine vielleicht für dich neue Strategie an die Hand geben: das Fühlen deiner Gefühle. Was ich damit meine und wie du nicht mehr von Wut überrollt wirst, wie von einem Schnellzug, das kannst du hier lesen.
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Irgendwann passiert es – du merkst es zwar noch kurz vorher, aber dann ist es soweit. Es lässt sich nicht mehr aufhalten.
Du.
Explodierst.
Wie.
Ein.
Vulkan.
Es ist einfach nicht mehr aufzuhalten. Und es tut doch auch gut, oder? Luft ablassen? Aber nein… irgendwie… schleicht sich gleich so ein schlechtes Gefühl ein. Du fühlst dich mies. Wie konnte dir das schon wieder passieren?
Gefühlsausbrüche in einer Zeit großer Belastung
Vielleicht kennst du diese Situationen auch, oder? Vor allem, wenn wir unter großer Belastung stehen, kann es schon gerne auch zu solchen Gefühlsausbrüchen kommen. Die Konflikte werden mehr. Irgendwie weißt du zwar, dass es nicht gut für dich ist, so zu reagieren, aber du kannst einfach nicht anders.
Ich kenne das nur zu gut. Man hat das Gefühl, man wird wie von einer Lawine überrollt. Völlig hilflos. Der Zorn entsteht irgendwo da unten im Bauch um die Bauchnabelgegend herum, steigt langsam (gut, manchmal auch schnell) in die Brust hoch, schnürt alles zu bevor es dann in den Kopf schießt. Dort ist es, als wäre man ein Teekessel, der mittels deutlichem Pfeifton anzeigt, dass es jetzt Zeit wäre, die Temperatur zu regeln. Es raucht und qualmt schon aus Ohren und Nase und dann. Ja. Was ich dann getan habe?
Gebrüllt, Türen geworfen, Schubladen zugeknallt, davon gerannt.
Hab ich mich danach besser gefühlt? Nein, definitiv nicht. Das schlechte, schale Gefühl bleibt, Kopfschmerzen bleiben und dazu gesellt sich noch das schlechte Gewissen. Lange Zeit habe ich mich immer gefragt, wie ich das lösen kann.
All die guten Ratschläge
Ja, da gibt es so tolle Tipps, dass man Wut, Ärger und Frustration los werden kann, wenn man dem Impuls nachgibt, wo man ihn spürt. Beispielsweise Schreien, wenn man die Wut im Hals spürt. Oder tanzen, wenn einem die Beine schon zittern vor Zorn. Was habe ich andere Blogs gelesen, Google und meinen Coach befragt, in Kinderbüchern nachgesehen…
Ich habe alle Tipps versucht.
Nur mit mäßigem Erfolg.
Warum? Die Wut ist nicht vergangen. Und das Ausreagieren hat sich schlecht angefühlt. Irgendwie nicht richtig. Ich wollte etwas anderes.
Ich wollte verstehen, was da passiert. Ich wollte nicht einfach reagieren. Ich wollte besser vorbereitet sein. Mich verstehen. Vorher schon gegensteuern.
Denn manchmal haben mich meine Gefühle so überrollt (vor allem, wenn ich gestresst war, unter Druck stand), dass dann auch die besten Tipps nichts mehr geholfen haben.
Geht es dir auch so? Hast du es satt, völlig unkontrolliert auf deine Kinder loszugehen?
Zu brüllen und unfeine Dinge zu sagen?
Vielleicht aufs Lenkrad zu hauen, bis dir die Finger weh tun?
Dann lies weiter.
Gefühle fühlen
In einem meiner Lieblingspodacsts von Brooke Castillo habe ich dann etwas gehört, über das ich jetzt mit dir sprechen möchte. Gefühle fühlen.
Gefühle und wie wir sie wahrnehmen.
Brooke spricht in ihrem Podcast davon, dass wir Gefühle nicht wirklich wahrnehmen und spüren. Erst dachte ich, das ist doch gar nicht wahr! Und wie ich die Wut spüre! Merkt man ja daran, wie ich reagiere, oder nicht?
Und genau darum geht es: Ich reagiere zwar, aber fühle die Wut nicht.
Denk kurz einmal darüber nach.
Geht es dir auch so?
Ich muss sagen, mich hat Brooke mit dieser These erwischt.
Umgang mit negativen Gefühlen
Es ist auch ganz verständlich. Denn als Kinder haben wir nie gelernt, was wir mit diesen heftigen Gefühlen machen sollen.
Es wurde uns beigebracht, das Gefühl wegzuschieben, oder auf ein Kissen zu hauen, oder ein Papier zu zerreißen. Schreien war schon nicht mehr erwünscht und im Grunde waren alle froh, wenn’s schnell vorüber war. Ich zum Beispiel habe immer wutentbrannt das Zimmer verlassen, und die Türe ordentlich hinter mir zugeknallt! Und dann, ein paar Minuten später war alles scheinbar wieder gut. 🙂
Was wir also gelernt haben ist, Gefühle zu ignorieren, uns abzulenken oder nur darauf zu reagieren.
Wir haben gelernt, wie wir bestimmte Gefühle erzeugen können durch bestimmte Handlungen.
Was wir nicht gelernt haben ist, wie sich diese anfühlen. Dass wir eigentlich gar nichts tun müssen mit diesem Gefühl.
Hier also drei Strategien, die dir wahrscheinlich bekannt sind:
Die erste Strategie: auf Gefühle reagieren
Bleiben wir bei unserm Wut-Beispiel. Wenn wir wütend sind, dann sollen wir Dampf ablassen, oder?
Oder wir sollen aus der Situation gehen und bis 10 zählen.
Aber Schreien, etwas werfen, wütend davon laufen, sind nur Reaktionen auf das Gefühl – das Ausleben des Gefühls. Eine Reaktion, die verhindert, dass wir das Gefühl wahrnehmen und spüren können.
Die zweite Strategie: Ablenkung
Diese Strategie wird vermutlich die meiste Zeit von uns genutzt. Ob bei Trauer, Angst, Wut oder Ärger.
Ablenken kann man sich mit ganz vielen Tätigkeiten.
Vielleicht gehst du Spazierengehen, treibst unmäßig Sport, arbeitest mehr, trinkst öfters mal ein Glas oder isst, wonach dir gerade ist?
Dies sind vermeintlich positive Strategien, oder? Ja, ich sage ja auch nicht, dass sie schlecht sind. Zumindest beim Spazierengehen oder Sport kann man das sagen.
Aber sie lenken von dem ursprünglichen Gefühl ab. Sie lenken uns weg davon.
Die dritte Strategie: Ignorieren der Gefühle
Das Ignorieren unserer Gefühle passiert so schnell, dass es oft scheint, als sei dies keine bewusste Entscheidung. Aber wie schnell ist man das Gefühl los, wenn man an etwas anderes denkt, oder? Wenn man das Thema wechselt und ignoriert, was da eigentlich seinen Platz sucht.
Dass wir diese drei Strategien nutzen, ist ja auch verständlich.
Wer möchte denn schon unangenehme Gefühle haben?
Also tun wir alles Mögliche, um sie los zu werden.
Wir reagieren auf unsere Gefühle.
Wir lenken uns ab von unseren Gefühlen.
Wir ignorieren unsere Gefühle.
Brooke spricht in ihrem Podcast davon, die Gefühle wahrzunehmen, zu fühlen, was da gerade mit uns passiert. Das klingt doch spannend.
Also versuchen wir doch etwas ganz Neues:
Die neue Strategie: Fühlen
Das Fühlen unserer Gefühle. Eintauchen. Wahrnehmen, was in uns passiert.
Wo spüren wir etwas? Wie fühlt sich das an?
All diese Gefühle – die guten und die schlechten – gehören zu einem Leben dazu.
Was wäre, wenn wir sie alle akzeptieren könnten, ohne sie und uns selbst zu verurteilen?
Bevor ich dir beschreibe, wie genau du diese neue Strategie anwenden kannst, möchte ich dir vorher noch sagen, warum es sich lohnt, auch die unangenehmen Gefühle zu fühlen:
Weil du handlungsfähig bleibst.
Weil du nicht die Kontrolle verlierst.
Weil du niemanden (auch nicht dich selbst) verletzt.
Weil dein Selbstwert steigen wird.
Wie du deine Gefühle fühlen kannst
Stell dir das Gefühl als Vibration durch deinen Körper vor. Es fließt durch dich hindurch. Alle positiven und genauso alle negativen Gefühle.
- Erlaube dir, dass es diese Gefühle geben darf
Tauche ein in das Gefühl, welches aufkommt.
Atme und spüre hin.
Sei präsent und verurteile nicht, was du fühlst.
Diese Entscheidung der Präsenz zu treffen, ist der schwierigste Schritt.
Nichts tun, außer wahrnehmen. - Gehe in die Position einer Beobachterin
Beschreibe, was das Gefühl macht, was in dir passiert.
Passiert etwas im Bauch? Im Kopf? Spürst du etwas in den Händen oder Beinen oder im Hals?
Ich geb dir ein Beispiel:
Wut.
Ich kann sie kurz in meinem Bauch wahrnehmen, heiß wie eine kleine Feuerkugel. Mein Herz schlägt schneller, der Hals fühlt sich an, als wäre ich heiser. Im Kopf baut sich ein Druck auf als würde er platzen und manchmal fühle ich wie ein Zittern in den Händen, als müssten sie etwas tun.
Denke bei diesem Schritt immer daran:
Du fühlst das Gefühl, du nimmst es wahr. Aber: Du bist nicht das Gefühl! - Lass dich ein, im Moment mit diesem Gefühl zu leben
Es soll dich ruhig begleiten, denn was kann schon passieren?
Ich meine, im allerschlimmsten Fall?
Es ist nur ein Gefühl.
Und was du sicher schon weißt, ist, dass dieses Gefühl wieder verschwindet.
Es wird schneller verschwinden, wenn du nicht dagegen kämpfst oder davor davonläufst.
Jetzt wirst du bestimmt Situationen und Gefühle finden, die nicht einfach verschwinden, oder?
Ja, das stimmt. Trauer kann so ein Beispiel sein. Manchmal bleibt etwas zurück.
Das Gefühl verschwindet nicht. Aber wenn du dir erlaubst, dass dieses Gefühl da sein darf, du bereit bist, damit umzugehen, wird es leichter werden. Man könnte es mit Wellenbewegungen vergleichen. An manchen Tagen ist es stärker, dann wieder leichter.
Die Ausschläge werden über die Zeit schwächer.
Und irgendwann.
Verschwindet.
Das Gefühl.
Was du heute mitnehmen kannst
Wenn wir mit verschiedenen Belastungen im Alltag umgehen müssen, dann erwischen uns solche Gefühle schon einmal. Da kommt der Ärger oder die Wut und überrollt uns einfach so. Wie ein Schnellzug.
Das geht uns ja allen so und ist einfach Teil unseres Lebens.
Mit diesen Gefühlen umzugehen, ist nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn man eh schon mit verschiedenen Belastungen kämpft. Den Stress und den Druck spürt.
Was ich dir aber heute mitgeben möchte, ist eine neue Strategie, mit negativen Gefühlen umzugehen.
Eine Möglichkeit abseits den Strategien: Reaktion, Ignorieren oder Ablenkung.
Denn diese Strategien dienen eigentlich nur dazu, dass wir die Gefühle möglichst schnell los werden.
Das Problem dabei ist aber, dass wir dabei oft uns selbst, oder andere verletzen und nicht wertschätzen. Manchmal holen uns die Gefühle dann sogar wieder ein. Meist zu recht unpassenden Zeitpunkten und umso heftiger.
Ich denke, der Grund, warum wir mit den ersten drei Optionen auf Gefühle reagieren ist schlicht und einfach Angst.
Angst davor, einzutauchen in das Gefühl. Angst, dass dieses Gefühl uns dann total übermannt und nicht mehr los lässt. Angst, dass wir das, was dann passiert, nicht mehr kontrollieren können.
Aber wenn du dich darauf einlässt, die Gefühle in all ihrer Fülle zu spüren, dich dabei zu beobachten, dann wirst du merken, dass im Grunde nichts Schlimmes passieren kann.
Denn es sind nur Gefühle. Und selbst die schlimmsten Gefühle gehen irgendwann vorbei.
Es kann dir nichts passieren.
Was am Ende bleibt ist, dass du damit umgehen kannst. Wenn du es willst.
Warum du das tun solltest?
Du wirst die Erfahrung machen, dass du den Gefühlen nicht ausgeliefert bist.
Du hast die Möglichkeit, zu entscheiden, was mit deinem Gefühl passiert.
Und was glaubst du, wie es sich anfühlt, nicht die Kinder angebrüllt zu haben oder die Beherrschung zu verlieren bei den Kollegen?
Du wirst stolz sein.
Du wirst dich gut fühlen.
Dein Selbstwert steigt.
Du bist weniger anfällig für weiteren Zorn und Ärger.
Das ist doch das, was du willst oder?
Live the life you love!
Deine Katja
Heißes Thema! Spannend und informativ, danke 😀
Gern, liebe Nicole 🙂
Wirklich schön geschrieben, Katja. Danke!
Meine Wut fühlt sich so ähnlich an, gerade auch im Bauch und in den Fingerspitzen. Und wenn mich dann mein Grenzen testendes Kleinkind immer weiter tritt, egal wie oft und wie deutlich ich sage, dass ich das nicht möchte, dann habe ich schon manchmal Angst, dass aus dem Fingerzittern mehr werden könnte. Dass die Wut mich überrennt.
Und leider habe ich bisher keine andere Lösung gefunden, als die Situation dann für einen Moment zu verlassen. Weil wir uns beide darin befinden. Das Kind und ich. Ich glaube nicht, dass ich in der Situation bleiben könnte und meine Wut fühlen, während ich mich weiter treten lasse. Aber so hast du das vermutlich auch nicht gemeint?
Danke, liebe Rike. 🙂
Ja, diese Wut kenn ich auch. Ich finde, du löst es gut, wenn du aus der Situation gehst. Genau dann, wenn du aus der Situation gehst und im Nebenzimmer sitzt, oder stehst, kannst du dich mit deinem Gefühl auseinandersetzen. Wie fühlt sie sich an, was war der Auslöser? Du könntest dann in die Beobachter-Rolle gehen und beschreiben, was gerade bei dir passiert. Du könntest dir die Erlaubnis geben, dass du gerade wütend sein darfst.
Vielleicht wäre das für dich vorstellbar?
Liebe Grüße und danke für deine Zeilen,
Katja